threads ist ein interdisziplinäres Konzert, das unterschiedliche Facetten von Fäden, Knoten und Netzen durch Werke für Querflöten und Klavier von sechs zeitgenössischen Komponist*innen auslotet.

Diese uralten Symbole werden musikalisch, installativ und performativ erkundet: Ein Netz aus Seilen und Bändern wird den Raum skandieren – Körper, Instrumente, Installation und Klänge verflechten sich und entwirren sich wieder.

Ein Projekt von Liga Korne, Francesco Marzano, Julia Slukina, Unai Urkola Etxabe.

Premiere am 8. September 2024 um 19 Uhr
Altes Pfandhaus, Kartäuserwall 20, 50678 Köln
Eintritt frei

Poster von Johanne Tönnies.

Fotogalerie

Fotoreportage von Lucie Schulze

Videos

Short Clip

Ganzes Konzert
(Kamera und Schnitt von Philip Sudheimer)

Trailer

Programm

Alyssa Aska, circles.lines (2020)
Sofia Gubaidulina, Der Seiltänzer (1995)
Ryan Carter, Concurrent Threads (2012)
Naomi Pinnock, Lines and Spaces (2015)
Katherine Balch, Music about Glowworms
……I.  thread, unfurled (2016)
……II. drip / spin (2017)
La Monte Young, Composition 1960, Nr. 10
……“Draw a straight line and follow it” (1960)

Alyssa Askas circles.lines (2020) für Glissando-Flöte und Tape nimmt die geometrische Elemente des Titels und übersetzt sie wortwörtlich in Klänge. Mit teils minimalen, teils größeren Bewegungen entfernt sich der Klang der Flöte von der Schiene der elektronischen Klänge. Die aufgenommene und die live gespielte Musik jagen, treffen und trennen sich ständig mit kreisförmigen und zickzackförmigen Gesten.

In Sofia Gubaidulinas Der Seiltänzer (1993/95, ursprünglich für Violine und Klavier komponiert) werden sowohl die Suche nach Perfektion und bedingungsloser Schönheit als auch die Risiken, die der Drahtseiltanz kennzeichnen, in Musik dargestellt. Auf Messers Schneide bewegen sich beide Instrumente zwischen gefährlichen Sprüngen und düsteren Glissandi. Der Komponistin zufolge ist das Stück eine Metapher für Gegensätze: das Leben als Risiko und die Kunst als Flucht in eine andere Existenz. Der Titel entspringt dem Wunsch, aus der Begrenztheit des Alltags, der unweigerlich mit Risiko und Gefahr verbunden ist, auszubrechen – dem Wunsch nach dem Rausch der Bewegung, des Tanzes, der ekstatischen Virtuosität.

Ein wahres Gewebe von Klängen und erweiterten Effekten wird in Ryan Carters Concurrent Threads von der Bassflöte geschaffen – auf dieser Art und Weise verwandelt das Instrument den melodischen Faden in ein kontrapunktisches Konstrukt.

Lines and Spaces von Naomi Pinnock (2015) für Klavier schafft mit reduzierten Klangmitteln klare Formen: Linien und Räume, die die Hörerfahrung begleiten und einrahmen.

Katherine Balchs Thread, unfurled (2016) ist der erste Satz des Zyklus Music about Glowworms und stellt die seidigen, leuchtenden Fangfäden der Larven von Glühwürmchen, die in Höhlen und Grotten gesponnen werden, klanglich dar. Lichtsäulen werden zu Klangfäden, Flöte und Klavier flüstern und tropfen und seufzen gemeinsam mit brüchiger Zerbrechlichkeit nach unten. Drip / Spin (2017) ist der zweite Satz und suggeriert sowohl einen unumkehrbaren und schicksalhaften Vorgang als auch Verspieltheit, Schwindel und sich wiederholende Gesten, die den Zyklus abschließen.

Bei der Composition 1960, Nr. 10 vom minimalistischen Komponisten La Monte Young – die aus einer einfachen Spielanweisung besteht: “Draw a straight line and follow it” – kann alles passieren.

 

HINTERGRUND

Konzeptueller Ausgangspunkt für das Projekt Threads war unsere Faszination für die Mehrdeutigkeit einfacher und universaler Zeichen wie Linien und Knoten und ihrer Verbindung in Netzten.

Nicht nur ist die Erstellung von Linien ebenso allgegenwärtig wie die Verwendung von Stimme, Händen und Füßen, jeweils beim Sprechen, Gestikulieren und Gehen, sondern vielmehr fasst sie all diese Aspekte des täglichen menschlichen Handelns zusammen und so führt sie zu einem einzigen Untersuchungsfeld zusammen. (Tim Ingold, Lines, 2007)

Mit Linien – egal ob abstrakt durch Schemata oder konkret durch Fäden, Seilen und Ähnlichem – lassen sich komplexe Zusammenhänge und gesellschaftliche Beziehungen verdeutlichen.

Der italienische Schriftsteller Italo Calvino hat beispielsweise das Bild der Fäden mehrmals aufgegriffen, wie etwa in seinen Unsichtbaren Städten (1972), um die Beziehungen und Strukturen, die das Leben in der Stadt regeln, darzustellen (Ersilia) oder um die fragile Schönheit und Vergänglichkeit des menschlichen Lebens auszumalen (Ottavia).

Auch in der Mythologie und in der Epik kommen Fäden und Netze oft mit unterschiedlichen Bedeutungen (Strafe, Falle, Rettung, Darstellung des Vergehens der Zeit, Kunstkniff, …) ins Spiel, wie etwa bei den Figuren von Arachne, Ariadne, Penelope, Hephaistos, …, um uns nur auf die westliche Tradition zu beschränken.

In der Gegenwart sind Netze ubiquitär und wir sind dicht vernetzt. Ob Netze als Universalmetapher inflationär werden oder der interdisziplinären Theoriebildung dienen, ob das Bild des Netzes der ‚Äther‘ unserer Zeit ist – in der Kunst wird es mit seinen natürlichen, kulturellen und digitalen Dimensionen aufgegriffen, und immer wieder lockt es, die Grenzen der Kunst auszuweiten. (Maren Wienigk, Dichte Maschen, große Wirkung. Netze in der Gegenwart, in Netz. Vom Spinnen in der Kunst, Kerber 2014)

Nicht nur in den bildenden Künsten sind Linien, Knoten, Fäden und Netze omnipräsent. Sie sind wesentliche Basis auch anderer Kunstformen, wie die Seiltanzkunst und die Fesselkunst. In den Augen des Drahtseilkünstlers Philippe Petit ist ein Seil das Nonplusultra der künstlerischen Suche der Perfektion, ein Symbol der in sich selbst erfüllten Schönheit (P. Petit, On the High Wire), während für Fesselkünstler*innen stellen Seile die Möglichkeit einer Verformung und Verwandlung der Körper und des Raumes zu neuen Skulpturen und räumlichen Konzepten dar. Beispielgebend für die grenzlosen skulpturellen und installativen Möglichkeiten von Fäden sind darüber hinaus die Werke von Hajime Kinoko, Jens Risch oder Chiharu Shiota.

In der Musik, in der klanglichen Organisation der Zeit, wie dieses Konzertprogramm zeigen möchte, sind Linien und Fäden ebenfalls zuhause. Notationssysteme, monodische Musiklinien und die Verflechtung der Stimmen in der Mehrstimmigkeit sind offensichtliche Beispiele dafür. Das Potenzial von diesen Motiven als generative und kompositorische Keime wird umso mehr in der modernen und zeitgenössischen Musik ausgelotet.

Über uns

Liga Korne – Klavier und Performance
Francesco Marzano – Querflöten, Konzept und Performance
Julia Slukina – Installation, Fesselkunst und Performance
Unai Urkola Etxabe – Bühnenbild, Licht- und Soundregie

***

Liga Korne ist in Riga, Lettland geboren. Für ihr Klavierstudium zog sie 2012 nach Manchester, England, wo sie am Royal Northern College of Music bei Peter Lawson studierte. Während dieser Zeit wurde sie mit mehreren Preisen ausgezeichnet, wie dem Peter Donohoe Prize, dem The Pattricia Cunliffe Award und dem Rollo-Davidson Award. Als Solistin trat sie u.a. in der Bridgewater Hall, Wigmore Hall und Philharmonie Luxembourg auf. 

Im September 2019 kam sie nach Köln, um das Studium an der Hochschule für Musik und Tanz Köln bei Prof. Pierre-Laurent Aimard aufzunehmen, welches sie im Juli 2022 mit Auszeichnung abschloss. Ihre besondere künstlerische Leidenschaft gilt der zeitgenössischen Musik. Als Solistin, Kammermusikerin und Ensemblemitglied arbeitete Liga mit renommierten Komponisten wie Helmut Lachenmann, Sir Harrison Birtwistle, Rebecca Saunders und Tansy Davies zusammen. Ihre breitgefächerte künstlerische Erfahrung beinhaltet auch mehrere interdisziplinäre und multimediale Projekte mit Film, Elektronik und Tanz. Außerdem nahm sie an verschiedenen internationalen Festivals und Meisterkursen für Neue Musik teil, z.B. an der International Ensemble Modern Academy, der London Sinfonietta Academy, den Darmstädter Ferienkursen für Neue Musik, sowie am Moers Festival und dem Acht Brücken Festival. 

Derzeit verfolgt sie ein Aufbaustudium „Ensemblepraxis Neue Musik“ an der HfMT Köln unter der Leitung von Prof. Susanne Blumenthal.

Francesco Marzano (*1992, Bari, Italien) ist ein freischaffender Flötist. Er absolvierte ein Musik- und Literaturstudium in Mailand und setzte anschließend seine Studien in Flöte, Performance, Musikwissenschaft und Musikpädagogik an der Hochschule für Musik und Tanz in Köln sowie an der Folkwang Universität der Künste in Essen fort.

Er spielt in verschiedenen Ensembles, u.a. im Flötenensemble der Kölner Gesellschaft für Neue Musik und ist Mitglied in interdisziplinären Kunstkollektiven, u.a. im Mæro-Ensemble.

Als Solist, im Ensemble oder im Orchester hat er bei mehreren Festivals gespielt, u.a. beim MiTo-Festival (Mailand), Notti trasfigurate (Mailand), La Fabbrica Mozart (Cantù), Un museo da salotto (Museo Teatrale alla Scala, Mailand), Cantiere internazionale d’arte (Montepulciano), Acht Brücken (Köln), Warschauer Herbst (Warschau).
Künstlerische Anregungen bekam er außerdem in Meisterkursen von Sir James Galway, Raffaele Trevisani, Bülent Evcil, Mario Ancillotti, Jennifer Seubel sowie Helen Bledsoe und gewann u.a. den ersten Preis bei den internationalen Wettbewerben Nuovo Premio Contea (2016) und Premio Monterosa-Kawai (2015).

Neben der Musik lebt er seine Vorliebe für Kommunikation und Sprachen als Radiojournalist (WDR Cosmo) und Autor im Bereich der Philologie, des performativen Theaters und der Musik aus.

Als Performer wurde er 2022/23 in der Klasse von Marina Abramović und Billy Zhao an der Folkwang Universität aufgenommen und hat an der Ausstellung 54 Hours Performances im Museum Folkwang teilgenommen.

Die in Köln lebende Fesselkünstlerin Julia Slukina (aka Jukka) nutzt das Seil als Werkzeug, um Verbindungen zu erforschen, indem sie Menschen, Objekte oder Strukturen in einem Raum verknotet. Inspiriert von Shibari, der aus Japan stammenden Kunst des Fesselns, bringt Jukka neue interdisziplinäre Elemente in ihre Arbeit ein. Sie arbeitet aktiv an verschiedenen künstlerischen Projekten, bei denen Seile mit Performance-Kunst, zeitgenössischem Tanz und Musik kombiniert werden.

Unter den jüngsten Kollaborationen zählen: The Village, ein sechsstündiges Happening in den Kunstgalerien am Ebertplatz (Köln) als Teil des Sommerblut Kulturfestivals (Mai 2023), wo Jukka eine massive Seilstruktur von 400 Metern Seil schuf; Interconsciousness, Bühnenbild mit einer 10 m langen beweglichen Seilstruktur für eine Komposition von Javier Vázquez und Dmitri Remesov (Musikhochschule Köln); das Musikvideo Back To You von Elle Nzuzi (Musik), Juliet Thomas (Tanz) und Aaron Colston (Video); die interdisziplinäre Performance The SpLavIC Caravan, mit Darya Myasnikova (Tanz), Javier Vázquez (Saxophon), Alejandro de Antonio (Gitarre), Emil Buchholtz (Kontrabass), Daniel Vallejo (E-Bass) und Jonas Kaltenbach (Schlagzeug) in der Kolbhalle (Köln).

Derzeit konzentriert sich Jukka darauf, ihr Wissen und ihre Erfahrung weiterzugeben, indem sie Veranstaltungen in NRW organisiert, Workshops gibt und mit Künstlern zusammenarbeitet, um neue Wege für die Verwendung von Seilen im interdisziplinären Kontext zu finden.

Unai Urkola Etxabe (1999*, Anoeta, Baskenland) ist ein queerer Komponist, Klangkünstler und Performer, der stark von virtueller Kultur und Phänomenen beeinflusst ist, die normalerweise am Rande der Gesellschaft bleiben. Er schloss sein Kompositionsstudium an der Musikhochschule von Katalonien (ESMUC) bei Mauricio Sotelo, Fèlix Pastor und Christophe Havel ab. 2022 zog er nach Köln, um einen MA in elektronischer Komposition bei Michael Beil an der HfMT Köln zu absolvieren. In der Zwischenzeit begann er 2020 ein Studium der Anthropologie und menschlichen Evolution an der Offenen Universität von Katalonien (UOC).

Heute schafft er mit einem starken visuellen Ansatz und in Kombination mit einer aufkommenden liminalästhetik immersive –klang und licht– und performative Umgebungen, die einen Einblick in sein komplexes und referenzielles inneres Universum geben und spielerisch das Unheimliche, das Ungewisse, das Seltsame, das Groteske und das Bizarre erforschen. In den letzten Jahren hat er das „Backrooms Resonance Project“ ins Leben gerufen, eine Reihe von immersiven Arbeiten, die von den Überlieferungen der Backrooms inspiriert sind.

Er erhielt Preise wie den „Young Musicians of Euskadi Contest“ und den „Internationalen ACHT BRÜCKEN Kompositionswettbewerb“ und nahm an verschiedenen Kompositions- und Improvisationskursen wie Synthesis in Warschau, Mixtur in Barcelona und Relay in Kreta teil. Er hat auch mit dem Ensemble Musikfabrik und der Bonner gkg gearbeitet. Darüber hinaus hat er sich mit professioneller Fotografie, Kostümdesign und Bühnenregie beschäftigt.

***

GEFÖRDERT VON: